Sankt Pölten
Die Ursprünge des heutigen St. Pölten reichen bis in die römische Kaiserzeit zurück. An der Stelle der modernen Innenstadt befand sich die Siedlung Aelium Cetium, neben Ovilava (Wels) eine der zentralen zivilen Städte im Hinterland des norischen Donaulimes. Sie entwickelte sich im 2. Jahrhundert, vermutlich unter Kaiser Hadrian (117–138), der als Namensgeber des Ortes gilt, aber auch Kaiser Antoninus Pius (138–161) ist denkbar: Der Bestandteil „Aelium“ verweist auf deren Familie, die gens Aelia. Der Name „Cetium” wiederum geht vermutlich auf eine ältere, eisenzeitlich-“keltische” Bezeichnung für „Wald” oder „Holz” zurück und bezieht sich auf die antike Bezeichnung mons Cetius für die bewaldeten Ausläufer der Ostalpen, zu denen auch der heutige Wienerwald gezählt werden darf.
»Aelium Cetium, das römische St. Pölten, war eine bedeutende Stadt im Hinterland des Donaulimes, deren archäologisches Erbe bis heute im Boden der Landeshauptstadt fortbesteht.«
Ob bereits im 1. Jahrhundert bestand hier eine kleine römische Siedlung oder Straßenstation an der wichtigen Fernstraße zwischen Vindobona (Wien) und Ovilava (Wels) bestand, ist nach wie vor nicht belegt, weswegen nach wie vor an einen Neugründung im frühen 2. Jahrhundert ausgegangen werden muss.
Aelium Cetium erhielt ein orthogonales Straßennetz mit gepflasterten Hauptachsen, Kanalanlagen, Steinbauten, öffentlichen Gebäuden und wohl auch einer Stadtmauer. Die Stadt war von Beginn an ein zivil geprägtes Zentrum ohne militärische Garnison, doch eng mit den Versorgungssystemen des Donaulimes verbunden. Zahlreiche villae rusticae in der Umgebung, etwa in Oberndorf an der Melk, belegen eine intensive landwirtschaftliche Nutzung und die wirtschaftliche Funktion als regionales Versorgungs- und Verwaltungszentrum. Daneben dienten diese Villen auch als Landsitze der Oberschicht: So hielt sich wohl zu Beginn des 4. Jahrhunderts Florian, der Kanzleivorstand des norischen Statthalters, während seines Ruhestandes nahe Aelium Cetium auf einem Landgut auf; er erlitt im Jahre 304 in Lauriacum (Enns) das Martyrium und wurde später heilig gesprochen.
Auch in der Spätantike kam es zu umfangreichen Bautätigkeiten in der Stadt: Besonders bemerkenswert sind hierbei die Ausgrabungen am Domplatz, die einen großflächigen römischen Gebäudekomplex mit Badehaus, Verwaltungs- und Wohntrakt sowie repräsentativem Apsidensaal freilegten. Dieses Bauwerk aus dem frühen 4. Jh. n. Chr. kann wohl als römischer Verwaltungs- und Statthalterpalast interpretiert werden – ein Hinweis darauf, dass Aelium Cetium vermutlich zeitweise Sitz des praeses der Provinz Noricum ripense (Ufernorikum) gewesen sein dürfte.
In der karolingischen Zeit wurden die römischen Baustrukturen nach dem Ende der Antike weiterverwendet; im 9. Jh. entstand auf den Fundamenten des spätantiken Palastes eine Kirche – der Ursprung der späteren Domkirche St. Pöltens. Damit schließt sich ein einzigartiger Kontinuitätsbogen von der römischen bis zur mittelalterlichen und modernen Stadtgeschichte.
Heute zählt der Domplatz zu den archäologisch bestuntersuchten Orten Europas: Bei den von Stadtarchäologe Dr. Ronald Risy zwischen 2010 und 2019 geleiteten Grabungen wurden rund 20.000 (!) menschliche Skelette aus dem Mittelalter bis ins 18. Jh. geborgen. Damit handelt es sich beim Domplatz um den größten innerstädtischen, mittelalterlichen Friedhof Europas die die weltweit umfangreichste Datenbasis zur Erforschung von Mensch und Umwelt dieser Zeit.
Die römischen und neuzeitlichen Funde werden im Stadtmuseum St. Pölten präsentiert, das als zentrale Vermittlungsstätte die lange Geschichte der Stadt von Aelium Cetium bis ins heutige St. Pölten anschaulich dokumentiert. Dank modernster XR-Hard- und Softwaretechnologie ist es zudem möglich, vor Ort am Domplatz in Echtzeit durch rekonstruierte digitale Gebäude zu spazieren, denn auf 4.500 m² wurde am Domplatz in St. Pölten ein weltweit einzigartiges Virtual-Reality-Erlebnis geschaffen. Durch die innovative XR-Technologie werden beim Gehen über den Platz die Umrisse historischer Gebäude exakt in der realen Umgebung platziert und angezeigt.











